Die Diskussion um Julien Blanc dürfte den wenigsten entgangen sein. Seither sind die selbsternannten Pick-Up-Artists (PUAs) in aller Munde. Man fragt sich, wo die Grenzen zwischen sexueller Belästigung, Nötigung und der „Kunst des Verführens“ verlaufen. Sind PUAs triebgesteuerte Knaben auf der verzweifelten Suche nach dem nächsten Stich, selbstbewusste Frauenversteher, die wissen, was Frauen wirklich wollen, oder gefährliche Spinner, die – gefangen in ihrer wahnhaften Welt der Geschlechter-Dichotomie – jederzeit bereit sind, die Grenzen des Akzeptablen zu überschreiten und sich vom Konsens als Grundprinzip des Zusammenlebens zu verabschieden?
Am Anfang war das Wort…
Angefangen hat alles in einem Online-Forum einer großen österreichischen Tageszeitung. Der User meiKlopapierisneddepad* hatte sich darüber beschwert, dass seine Kommentare unter dem Artikel zum Thema Julien Blanc nicht erscheinen, und diese kurzerhand in ein anderes Forum gepostet. In seiner „Replik eines Ekligen“ wollte er, der „seit über zehn jahren mitglied der deutschsprachigen pick up-szene [ist] [s]ich nun unbedingt noch konkret zum kollegen julien blanc äußern“. Und äußern bedeutet hier natürlich, ihn zu verteidigen, wiewohl der User einräumte, keine konkrete Ahnung von Blanc zu haben.
„es geht unter anderem darum, frauen ins bett zu kriegen, ja. allerdings legt insbesondere die deutschsprachige szene großen wert auf weit darüber hinausgehende ziele, die man grob als persönlichkeitsentwicklung bezeichnen könnte.“
„den meisten (inklusive mir selbst) geht es beispielsweise darum, die richtigen frauen zu erkennen und stabile, beglückende langzeitbeziehungen führen zu können.“
Ah ja. Auf meine wertfreie Nachfrage, wie denn so eine deutsche Pick-Up-Szene konkret aussehe, schickt mir meiKlopapierisneddepad einen Link zum deutschen Pick-Up-Forum. Ein paar Tage später besuche ich die Seite, melde mich an, um Zugriff auf alle Foren zu haben, und stelle mich darauf ein, jede Menge Tipps und Tricks an die Hand zu bekommen, wie man seine Persönlichkeit entwickelt und beglückende Beziehungen führt. Tatsächlich erinnert mich dieses Forum mit seinen über 124.000 hauptsächlich männlichen Nutzern eher an eine Mischung aus Bravo (‚Sie meldet sich nicht mehr bei mir, schluchz und heul!‘) und Praterstern (‚Heut geh ich in die Disco ein paar Weiber aufreißen, 10 Bitches in 6 Wochen ist die Challenge!‘). Sexuell unausgelastete, spät-pubertierende Burschen gefangen zwischen Herzschmerz, Libido und einem Unvermögen, gewaltfrei und respektvoll zu kommunizieren. Gähn. Wenig überraschend, aber ein wenig gar banal.
Na gut, tippen wir mal ‚Wien‘ ins Suchfenster und schauen, ob auch unsere schöne Stadt schon von PUAs unterwandert ist. Das Ergebnis ist ernüchternd. Ein paar Knaben hier sind auf der Suche nach Wingmen (spätestens seit How I Met Your Mother kennen wir alle den Begriff), wobei Pivots besser wären, wie ich einer Diskussion entnehmen kann. Pivots sind weibliche Wingmen – quasi Wingwomen – die dem Aufreißkünstler mehr social proof geben als ein männlicher Begleiter es je könnte. Und social proof ist wichtig, er stellt eine Art Grundvertrauen zwischen dem ‚Künstler‘ und seinem Objekt her, weil er zeigt, dass der PUA sozial angesehen und seine Gegenwart erstrebenswert ist.
Etwas gelangweilt stöbere ich weiter und finde einen Thread mit dem Titel „Kunst der Verführung“, der ‚die besten Verführungsstories der User‘ aus der Praxis verspricht. Interessant. Die Überschriften zeugen nicht gerade von der Kreativität der Verfasser, geben aber durchaus Einblick in ihre Denkweise: Asian Beauty, Sehr fordernde MILF, Prinzessin Rührmichnichtan, Die rothaarige Zicke. Ich klicke auf das aktuellste Thema ‚Online Ungefiltert‘ und fange an, den field report des Users LolitaLover69 zu lesen, der sich trotz seiner Aversion gegen Online-Datingseiten dazu entschlossen hat, ein Experiment zu wagen. Zu diesem Zweck hat er sich ein Profil bei okcupid erstellt – „Ich mochte die Website sofort. Bei der Wahl eines hinlänglich sicheren Passwortes meldet die Page: „Best. Password. Ever.“ Und wenn man dann noch ein paar Zeichen dranhängt: „Oh, it’s so big!““ Ausführlich beschreibt er seine Dates mit verschiedenen Frauen, die er als ‚Opfer‘ bezeichnet, und illustriert, welche bewährten Sprüche und Strategien er anwendet, um erfolgreich zu sein.
„Und wie sah dieses Profil dann aus? […] Zunächst eine ganz allgemeine und unironische Einleitung. Wo ich bin, was ich mach, was ich will. Dann bisschen was lustiges: Dass ich ein schlechtes Gewissen hab, wenn ich einen Geschirrspüler mit all-in-1-Tabs füttere. Dass mein Zahnarzt mir in einem Traum mal die Gastherme repariert hat und ich seitdem ein viel persönlicheres Verhältnis zu ihm hab. Dass ich eigentlich ganz anders wäre und bloß so selten dazu käme. Dass ich Blondinen in Flaschen sammle … sowatt. Alter 31, als Username hatte ich ************. Altersrestriktion hatte ich 23-35.
[…] Unter You should message me if hatte ich: „Tu es, ich übernehme die volle Verantwortung.“ Ich erwähn das deshalb, weil sich auf diese Zeile später eine Menge Mädels direkt bezogen haben, das dürfte ihnen gefallen haben. Auf das … und auf die Blondinen in Flaschen. Hab ich von Bogart bzw. aus „The Big Sleep“. Ihr wisst ja: Professionals copy, geniuses steal.
Schema: Interessant, witzig und um Himmels willen keine Textwüste wie dieser FR hier.
Dazu ein paar Bilder rausgekramt: LolitaLover steht im Dschungel und guckt auf ne Karte, LolitaLover raucht ne mutmaßliche Sportzigarette, LolitaLover kocht Krabben inner asiatischen Straßenküche, LolitaLover sitzt auf nem Tisch und grinst. Alles was halt so bisschen nach Leben aussieht.“
Die Erinnerung trifft mich wie der Knüppel eines Polizisten auf der Anti-WKR-Ball-Demo. Den Typen kenn ich doch! Vor einigen Monaten hatte ich ebenfalls ein Profil auf besagter Dating-Seite und ich kann mich definitiv an die Blondinen in den Flaschen erinnern. Beim besten Willen will mir aber nicht einfallen, wie der Typ sich genannt hat. Wir wollten uns damals treffen und ich habe das Rupps vorgeschlagen, weil in seinem Profil stand, dass er gerne Whisky trinkt, ‚der nach flüssigem Zigarrenrauch schmeckt‘. Aus dem Treffen damals wurde allerdings nichts, weil es mich ins Ausland und ihn nach Italien verschlagen hatte. Langsam kommen die Erinnerungen zurück. Damals hatte er mir von der italienischen Bidet-Kultur vorgeschwärmt und dass Italienerinnen da unten so herrlich schmecken würden, während in Österreich dahingehend olles oasch wäre. In meinem Kopf rumort es, wieso kommt mir dieses Thema gerade jetzt bekannt vor? Und dann die neuerliche Erkenntnis: Weil in eingangs erwähntem Zeitungs-Forum ein Typ vor wenigen Tagen ein Posting abgesetzt hat, das vom Gros der MitposterInnen als respektlos, chauvinistisch und anmaßend bewertet wurde:
„mädels
jetzt ein schwieriges thema.
bitte glaubt nicht den öko-aposteln, die euch zu weniger waschen raten oder dazu, auf duschgel und shampoo zu verzichten. auch wenn es euch selbst nicht mehr auffällt: man sieht und riecht den unterschied.
bitte! wascht euch ordentlich und überall. bei infolgedessen strapazierter haut duschzeit sowie die temperatur des wassers reduzieren sowie nach dem duschen eincremen! (letzteres aber bitte nicht im hochsommer)
und bitte, benutzt nach dem kacken zumindest feuchtes toilettenpapier. ich weiß, österreich ist ein kackhygiene-entwicklungsland. SEID DIE SPEERSPITZE, BITTE! denn spätestens bei einer engagierten runde doggy-style streifen süße, wohlbekannte düfte ahnungsvoll das land.“
Ode To Sexism
Ich suche das Posting raus und stelle fest – Mister Hygiene ist gleichzeitig Mister Pick-Up-Artist. Und demnach auch Mister Oberchecker im Pick-Up-Forum. Jeder seiner Beiträge wird in den Himmel gelobt, er wird als eine der großen Inspirationen der Szene verehrt und für seinen unheimlichen Erfolg bei Frauen bewundert. Seine Fans im Forum überschlagen sich förmlich und wünschen sich, dass er noch ein Buch schreibt. Noch ein Buch? Ich klicke auf die Signatur seines Forum-Profils und stelle fest, dass er vor rund 8 Jahren ein Buch veröffentlicht hat. „Lob des Sexismus. Frauen verstehen, verführen und behalten. Ein Praxisbuch für Aufgeschlossene“. Auf über 200 Seiten beschreibt er unter dem Pseudonym Lodovico Satana wie Frauen ticken, wie man sie behandeln muss und von welchen man besser die Finger lässt.
Grundsätzlich unterteilt er Frauen dabei in zwei Gruppen – HSE und LSE, also High Self Esteem und Low Self Esteem. Darüber hinaus seien Frauen entweder mit einem HD oder einem LD ausgestattet, also einem High (Sexual) Drive oder einem Low (Sexual) Drive. Ideal seien submissive HSE-Frauen mit HD, die könnte man nämlich problemlos zur Königin erheben. Als ‚Königin‘ wird die Hauptfrau bezeichnet, mit der man (wenn’s denn sein muss) auch zusammenziehen und eine Familie gründen kann. „Wenn du dir mit Frauen erst gehörig die Hörner abgestoßen hast, wirst du es leicht haben, die geeigneten Typen für derartige Beziehungen zu erkennen. Weise ihnen mit der Souveränität und der Selbstverständlichkeit eines alten Adligen die Plätze in deinem Leben zu: Die Affäre, die Mätresse, die Königin.“ Eine Frau dürfe sich ihres Partners niemals sicher sein und müsse sich immer bewusst sein, dass sie jederzeit austauschbar ist. „Eine Frau, die ihren Mann als sexuelles Wesen erlebt, das von anderen Frauen begehrt wird, fühlt sich zu ihm umso stärker hingezogen, investiert mehr Energie in die Partnerschaft und wird noch stärker versuchen, ihren Mann an sich zu binden. Selbst in Beziehungen, in denen ausdrücklich sexuelle Treue vereinbart wurde, kann das, was wir unter der Bezeichnung Seitensprung kennen, die Partnerschaft stabilisieren.“ Beziehungen selbst definiert er dabei als
„auf funktionierender Sexualität beruhende Langzeitkontakte zu Frauen, die dir so gut gefallen und dich so gut behandeln, dass du sie Tag für Tag neu verführen möchtest. […] Beziehungen sind also sexuelle Langzeitkontakte plus optionale soziale, wirtschaftliche, familiäre, territoriale (zum Beispiel gemeinsame Wohnung) oder rechtliche Aspekte bzw. Ziele, die du mit deiner Partnerin verwirklichen willst. […] Finanzielle, familiäre, territoriale und rechtliche Gemeinschaften mit Frauen, die nicht jederzeit problemlos aufgelöst werden können, stellen ein Privileg dar, das du nach langer Zeit des Prüfens und Wartens ausschließlich an solche Frauen vergibst, die sich durch ihre unbedingte Loyalität dafür als vollkommen zweifelsfrei würdig erwiesen haben.“
Der gläserne PUA
Ich entschließe mich dazu, mich ebenfalls auf ein kleines Experiment einzulassen. Kurzerhand reaktiviere ich meinen stillgelegten okcupid-Account und versuche, mich an Mister PUAs Online-Namen zu erinnern. Keine Chance. Im Pickup-Forum hat er seinen Namen blöderweise anonymisiert. Nach 20 Minuten frustrierten Suchens will ich bereits entnervt aufgeben, als mich eine Eingebung auf den richtigen Weg bringt – und tatsächlich: Sexy_Settembrini. Wie konnte ich diesen Namen vergessen? Ich beschließe, mein Profil erneut auszufüllen. Schema: Interessant, witzig und um Himmels willen keine Textwüste. Zunächst eine ganz allgemeine und unironische Einleitung. Wo ich bin, was ich mach, was ich will. Dann bisschen was lustiges. Dass ich Musik und Bücher liebe, weil ich damit dumme U-Bahngespräche ausblocken kann. Dass ich jeden Morgen Kaffee intravenös brauche, um mich von einem Gremlin in einen Menschen zu verwandeln. Dazu ein paar Bilder rausgekramt: Candy steht vor nem historischen Monument und salutiert, Candy mit Sonnenbrille an nem Strand, Candy macht ein Foto in der Wüste, Candy mit nem Tierchen am Schoß. Alles was halt so ein bisschen nach Leben aussieht – ihr wisst ja, professionals copy, geniuses steal.
Dann Profil speichern und auf seine Seite gehen, als visible natürlich. Jup, alles wie damals. Blondinen in Flaschen sammelt er nach wie vor, Verantwortung übernimmt er auch weiterhin und das Weichspüler-Fach der Waschmaschine macht ihm immer noch vor Sorgen. Natürlich hinterlasse ich keine Nachricht, nur ein virtuelles Candy waz here auf der einsehbaren BesucherInnen-Liste. Und tatsächlich: Keine 5 Minuten nach meinem page-hit schreibt er mich schon im Chat an, mit bewährter ‚He griasdi‘-Masche, die er laut Pick-Up-Forum von einer ‚lieben Freundin‘ übernommen hat. Anfangs denke ich, er würde sich eventuell an unsere letzte Korrespondenz erinnern, wie sich während des Chats herausstellt ist dem aber nicht so.
Ich bin fast ein bisschen enttäuscht, wie einfach das war. Noch dazu, wo ich doch so gar nicht sein Typ bin. Denn die Mädels, die er laut field reports in der Regel quasi 24/7 abschleppt, haben kein Gramm zuviel auf den Rippen, sind schwarzhaarige Schönheiten, Sportlerinnen oder sehen aus wie Nofretete, sind mindestens aber eine solide 8 auf der scheinbar universalen PUA-Skala. „Früher hätte ein Engelsgesicht mit langen, blonden Haaren weiter unten sonstwie aussehen können. Heute denk ich mir bei jedem Kilogramm zuviel: Mädel, reiß dich doch endlich zusammen und geh zum Training. Und wenn ich mich genug geärgert hab, bemerke ich dann irgendwann ihr Gesicht.“ Natürlich kann er sich den einen oder anderen Untergriff auf meine Figur bereits im Chat nicht verkneifen. So analysiert Sexy_Settembrini, dass ich wohl ‚eher der Chips-Mensch als der Müsli-Mensch bin – *le Griff an die Schwarte*‘ und beschließt, dass der Körperfettanteil ein Thema ist, das wir besprechen müssen. C & F – cocky & funny – nennt sich diese bewährte Strategie, die Frauen gleichermaßen verunsichern wie beeindrucken soll. Weiters beliebt in der Pick-Up-Szene ist mit Push & Pull eine ähnliche Methode, mit der Frauen vorgeblich neckisch abwechselnd eingewickelt und vor den Kopf gestoßen werden sollen. Vermutlich frei nach dem Motto – ‚if you can’t convince them, confuse them‘.
Mich amüsiert, wie er jede meine Vorlagen brav verwertet und ich komme auf den nach flüssigen Zigarrenrauch schmeckenden Whisky zu sprechen, mit dem erhofften Resultat. Er schlägt vor, dass wir uns doch treffen sollen und wir verabreden uns für den nächsten Abend im Rupps. ‚Aber nix küssen, nix Date, gell, nur quatschen‘ wiederholt er einige Male. Woher kenne ich diesen Satz bloß? Ach ja, aus seinen zahlreichen field reports. Wenn Mann unerreichbar wirkt, will ihn das Triebwesen Frau ja gleich noch viel mehr. Er fragt mich nach meiner Handynummer, ich geb sie ihm und ärgere mich 3 Sekunden später, dass er in seiner Welt damit bereits einen NC – einen number close – verbuchen kann. Ich frag ihn nach seiner und er gibt mir eine auf den ersten Blick inexistente Nummer. Egal, ich hab ohnehin nicht vor, abzusagen. Ein selbsterklärtes Alpha-Männchen in freier Wildbahn erleben, wer möchte sich sowas schon entgehen lassen?
Phallus und Vernunft
Als Vorbereitung auf den nächsten Abend lese ich mich weiter in sein bahnbrechendes Werk „Lob des Sexismus“ ein und komme zum Kapitel 9 – ‚Wie Frauen testen‘. Tests sind demnach etwas quintessenziell Weibliches. Jede Frau ist im Grunde darauf aus, ihren Partner zu betaisieren, das heißt, ihn sich bedingungslos zu unterwerfen. Sobald sie das geschafft und ihn zum typischen Verlierer, zum Nice Guy gemacht hat, wird sie ihn verlassen. Frau kann gar nicht anders und macht das auch meist gar nicht bewusst, es liegt einfach in ihren Genen. Was Frau tief drin aber wirklich will und braucht ist, ihre Grenzen aufgezeigt zu bekommen. Sie braucht einen echten Mann, einen Alpha, der ihr zeigt, wo der Hammer hängt. Wenn sie emotional wird, Drama macht oder sonstwie versucht, Grenzen auszuloten, ist der beste Weg quasi immer, sie grob zu entkleiden, aufs Bett zu werfen und auf der Stelle zu nehmen. Sie will das, sie braucht das, auch, wenn sie es selbst nicht weiß. Im Grunde ist eine Frau eine wandelnde Libido, eine sehnsüchtig pulsierende Vagina auf Beinen, die nichts so sehr braucht wie einen Schwanz, der sie zur Vernunft bringt – wobei Vernunft beim Gefühlswesen Frau naturgemäß nur begrenzt vorhanden ist.
„Drama ist emotionales Theater, das eine Frau spielt, um dich und ihre akut überbordende Lust auf dich kurzfristig kontrollieren zu können. Die Zutaten können von Eifersuchtsszenen über beleidigt spielen bis hin zu Selbstmitleid reichen. Eine Gemeinsamkeit ist aber fast immer zu finden: Drama versucht dich für dein Alpha-Verhalten anzuklagen und dir Schuldgefühle zu machen, um dich sexuell zu hemmen. Sex selbst ist dabei häufig das Thema, bzw. Bestandteil der Vorwürfe an dich. Selbstverständlich ist der Grund dafür, dass sie selbst geil bis in die gesplissten Haarspitzen ist. […]Die richtige Reaktion auf Drama ist stets dieselbe: Nimm sie nicht ernst, sondern durch.“
Seinen geneigten Lesern veranschaulicht Mister PUA auch an Praxis-Beispielen, wie man Drama konkret in Sex verwandelt:
(9) Sie: „Was hast du gestern getan? Warum hast du mich nicht angerufen?“
Du: „Gestern Abend? Lass mich überlegen … ach, da war Nadine hier. Hast du gewusst, dass sie fantastisch kochen kann? Sie hat mir Broccoli in Dillsauce gemacht …“
Sie: (beleidigt) „Ich glaube, ich sollte jetzt gehen.“ (Ein weiblicher Freeze Out.)
Du: (widmest dich den Aufgaben auf deinem Schreibtisch) „Ich verstehe dich gut. Vielleicht können wir einfach Freunde bleiben.“
Sie geht nicht und beginnt zu weinen. (Drama)
Du: „Na dann sehen wir mal, was wir hier haben. (Du gehst zu ihr und beginnst, sie auszuziehen) Na so was, da ist ja ein hübsches Mädchen drunter. (Sie versucht, sich wegzudrehen. Du greifst fester zu und machst weiter. Ihre Lust auf dich ist mit ziemlicher Sicherheit so groß, dass sie sich dir hingeben wird)(23) Sie (HSE) ist verstimmt. Du reagierst nicht darauf. Nach einer Weile sagt sie: „Hast du andere?“
Du: „Schuhe? Nein. Mit meinen Pantoffeln war ich sogar mal in der Oper.“
Sie: „Ich meine Frauen!“
Du: (grinsend) „Schätzchen, hast du vielleicht gedacht, der Teufel lebt monogam?“
Sie: (emotional) „Ich will nicht nur eine von vielen sein!“ (Drama)
Du: (ziehst sie zu dir ran, starker Augenkontakt) „Ich mag bescheidene Mädchen. Bescheiden muss man wohl auch sein, wenn man diese Augen (du küsst ihre Augen) ein Paar Augen von vielen nennt, und diese Nase (du küsst ihre Nase) gewöhnlich und diese Lippen (du küsst ihre Lippen) austauschbar.“
Du kommst ihr damit entgegen und bleibst trotzdem Alpha. Wird sie lammfromm, belohne sie mit guter Behandlung. Falls sie weiter Drama macht, gieß mit C&F Öl ins Feuer, nimm sie nicht ernst und schlaf mit ihr.(24) Ein Mädchen hat von deinen zahlreichen andere Affären erfahren.
Sie: (weinerlich) „Du bist echt ein Arschloch.“ (Drama)
Du: „Ist angeboren.“
Sie: „Schämst du dich nicht?“
Du: (verwundert, als ob du davon noch nie etwas gehört hättest) „Nein.“ (Du lächelst, nimmst sie in den Arm, und wirfst sie auf dein Bett. Sie wehrt sich. Du hältst sie fest und wirst zudringlich.)
Sie sagt: „Hör auf!“
Du: (ernst und ruhig) „Schätzchen, du hast jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder du fängst an, dich hier zu benehmen oder du gehst wieder. Ich habe heute Abend keine Lust auf Theater.“
Sie wird bleiben. Nimm sie.(38) Sie stürmt zur Türe herein:
„Warum hast du mich nicht vom Flughafen abgeholt? Du hättest anrufen können!“ (Beschwerden)
Du: (kommst langsam näher und riechst an ihr) „Geh duschen und mach dich hübsch. Nicht zu viel Parfum.“
Wenn sie weiter zickt, muss sie auch noch das Abendessen machen. Sie tut es nicht? Wirf sie aus deiner Wohnung. Sie darf erst wiederkommen, wenn sie deine Gegenwart zu würdigen weiß.
In der Kategorie Shit-Tests erfahre ich zudem, dass Zu-Spät-Kommen der wohl häufigste Test ist, auf den ein Mann vorbereitet sein muss. Um seinen Alpha-Male-Frame nicht zu verlieren, darf sich Mann daher gar nicht erst in die Position des Wartenden versetzen lassen. Ist sie um Punkt 21.00 nicht im verabredeten Lokal, sprichst du eben ein anderes Mädel an. Das wird ihr zeigen, wie begehrenswert du bist und dass sie sich glücklich schätzen kann, mit dir Zeit verbringen zu dürfen – sie selbst hingegen ist völlig austauschbar, was ihr subtil auch immer wieder vermittelt werden muss.
Reality Bites
Das Treffen selbst war dann der mit Abstand unaufregendste Teil der gesamten Recherche. Der Knabe hat den Sex-Appeal eines Ford Fiestas und den Charme einer Großen Koalition. Er erzählt mir von seinem bislang schönsten Urlaub, in Irland natürlich, und spricht dabei seine angeblichen Lieblings-Orte mit Strasser’schem Selbstbewusstsein allesamt völlig falsch aus. Ich sitze halb fassungslos, halb belustigt daneben und bin mir sicher, dass mich der Typ verarschen will. Ich oute mich als Mitposterin im Zeitungsforum und nachdem er sofort weiß, wer ich dort bin, gehe ich davon aus, dass er bereits soviel vermutet hat, auch wenn er es bestreitet.
Im weiteren Verlauf unserer Unterhaltung befindet er, dass meinem Arzt die Lizenz entzogen gehört, weil er auf nicht-gesundheitsfördernde Hormone in der Milch hingewiesen hat. Vegetarismus sei ein Irrtum, Veganismus eine Lüge und beides inhärent faschistisch, erklärt er mir die Welt im Rupps, dem Stammbeisl der veganen Szene. Der Islam sei sowieso die größte Katastrophe der Menschheit, wird er dann auch noch philosophisch. Er schaut betrübt in seinen Whisky, aus dem er nasse schottische Grasbüschel rausschmecken will, schüttelt tiefsinnig den Kopf, seufzt und doziert über den Wahnsinn, dass ein verrückter blutrünstiger Höhlenmensch, der vor 1400 Jahren gelebt hat, soviel Einfluss auf diese unsere heutige Welt hat. Immer wieder vertieft er sich mehrere Minuten schweigend in die Whiskey-Karte oder seine Toasts.
Irgendwann will er mir zur Erkenntnis verhelfen, dass auch der Feminismus ein Irrtum ist und dass Mann und Frau völlig verschieden funktionieren. Zu diesem Behuf erzählt mir von einer Studie, die er gelesen hat. Neugeborenen Babys seien je zwei Bilder hingehalten worden, eines von einer lachenden Mutter, ein anderes vom Eiffelturm. Candy, wie erklärst du dir das? Candy, was sagst du dazu? Candy, was glaubst du ist passiert? Natürlich weiß ich, was er hören will – die Mädchen schauen allesamt auf das Foto mit der lachenden Mutter, weil weibliche Wesen sozial und emotional sind und immer das Vertraute suchen. Die Knaben hingegen wenden sich dem Eiffelturm zu, denn es liegt in ihren Genen, neugierig auf das Neue, Fremde und Innovative zu sein, das Unbekannte zu erforschen. Er grinst selbstzufrieden und überhört meinen ironischen Unterton völlig. Ich sage ihm, dass ich Hörensagen-Studien nicht traue und wir spielen eine Runde Karten.**
Gegen Ende fragt er mich dann, ob es denn wirklich ein Zufall ist, dass wir uns getroffen haben. Natürlich, sage ich, was sonst? An Schicksal und Magie glauben wir wohl beide nicht. Nein, sagt er, immerhin habe ich ja _dich_ angeschrieben. So ist es, sage ich, du hast mich angeschrieben. Du hast mir geschrieben und du hast das Treffen vorgeschlagen. Ja eh, sagt er. Ja eh, sag ich. Sein Angebot, mich ein Stück im Auto mitzunehmen, lehne ich dankend ab. Wir schütteln uns die Hand, ich versichere ihm, dass es mir ein Volksfest war, bedanke mich, dass er die Rechnung übernommen hat und wir gehen getrennter Wege. Am nächsten Tag habe ich eine Nachricht in meiner Mailbox. Mister PUA bedankt sich für ein ’sehr anregendes Treffen‘.
Im Nachhinein tut es mir fast Leid, dass ich mich nicht ganz geoutet und Mister PUA um ein Autogramm gebeten habe. Experten, die die Natur der Geschlechter und sozialer Konstrukte so messerscharf analysieren können wie er, gibt es viel zu wenige. Die wahren Bedürfnisse einer Frau in der Theorie zu erkennen und daraus umsetzbare Tipps für die Praxis abzuleiten ist eine nicht zu unterschätzende Leistung. Frauen verstehen, verführen und behalten – Lodovico Satana weiß wie: „Lass sie Dinge für dich tun. Gib ihr Gelegenheit, dich zu unterstützen. Bitte sie freundlich um kleine Aufgaben: Brötchen holen am Heimweg, eine Massage nach einem langen Arbeitstag oder Bier einkühlen vor einer privaten Party. Sie wird dich dafür lieben.“
Totalement, tendrement, tragiquement.
*alle Profil-/Foren-Namen von der Verfasserin geändert
** Ich hab ein bisschen Nachforschung betrieben: Simon Baron Cohen hat tatsächlich eine ähnliche Studie gemacht und Säuglingen auf einer Geburtsstation zwei Bilder gezeigt, eines von einer lachenden Frau, eines von einem Mobile. Seine Ableitungen daraus – weit weniger fatalistisch als jene des PUAs – sind wissenschaftlich jedoch umstritten. Seine Stichprobe sei zu klein gewesen und sein Forschungs-Fokus auf Autismus hätte in der Vorauswahl bereits eine nur bedingt repräsentative Untersuchungs-Gruppe ergeben. ‚[…] a review of studies done with very young children found no consistent differences between boys and girls.‘ – Wikipedia und Folge-Literatur are your friend!
Richtig guter spannender Text, konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen. Aber was ich jetzt nicht ganz gecheckt hab: Hat er jetzt trotzdem versucht, seine Masche abzuziehen oder ob deiner Foren-Identität das zahme Kätzchen gespielt. Das ist für mich nicht ganz klar rausgekommen. Er klingt dann ja seeehr gemäßigt nach deiner Beschreibung.
huhuu :) hm, ich glaub, dass unser Treffen in mehrerlei Hinsicht nicht ‚repräsentativ‘ war. einerseits wusste ich ja, mit wem ich mich da treffen, d.h. ein unvoreingenommenes ‚Kennenlernen‘ war da sowieso nicht drin. außerdem gabs halt einfach Null Anziehung – ich bin ja an sich jemand, der sich mit so ziemlich jedem gut und angeregt unterhalten kann, aber bei diesem Treffen hab ich wirklich dauernd auf die Uhr geschaut. dann war das Problem, dass die Themen, über die er philosophieren wollte (irgendwo in seinem Buch steht quasi, dass man Mädels jeden BS auftischen kann, wenn mans nur mit dem richtigen Pathos macht) halt Themen waren, bei denen ich mich zufällig besser ausgekannt hab, weswegen ich ihn halt auch gar nicht eloquent wahrgenommen hab. es gab auch gar kein ‚Gespräch‘ im Sinne einer Diskussion, er hat mit seiner Weltsicht aufgewartet (dass ‚eh ois‘ inhärent faschistisch ist, außer dem heternormativ-fleischfressenden maledom) und ich habs dann irgendwie ironisch kommentiert, nachdem er seinen Monolog beendet hat. dass mit dem Forum und dass er im Endeffekt unsicher war, wieviel ich weiß hat aber sicher auch eine Rolle gespielt.
man muss sich halt auch fragen, wieviel Wahrheit in dem drinsteckt, was er anonym in Büchern oder Foren von sich gibt. grad die ‚Praxis-Beispiele‘ aus seinem Buch sind zT sowas von absurd und lesen sich wie die feuchte Fantasie eines 16-Jährigen 50 Shades of Grey-Fans, der noch nie was von SSC gehört hat und sein Leben mit einem roleplay verwechselt. wenns im Kern nicht so oag wär, wärs irgendwie zum Lachen :-/ aber wie im Artikel erwähnt – das persönliche Treffen war wirklich mit Abstand am unspannendsten. wobei ich mir schon vorstellen kann, dass er mit seiner Masche nicht unerfolgreich ist, weil er halt gar nicht so pick-up-arty wirkt wie zB Julien Blanc, sondern eher so wie der unbedarfte Nachbarsjunge, von dem man nichts befürchten muss.
Herrlich.